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07.12.2023

„Mir schossen die Tränen in die Augen“

Seit acht Jahren ist Dagmar Kaufhold-Jäger ehrenamtliche Vormündin, übernimmt Verantwortung, erlebt Glücksgefühle

Ihre erste Begegnung mit Merle an einem kühlen Herbsttag endete in einer innigen Umarmung. Zum Abschied hatte sie das blonde Mädchen einfach mit ihren Armen fest umschlungen. „Mir schossen die Tränen in die Augen“, erinnert sich Dagmar Kaufhold-Jäger an diesen Moment im Jahr 2015. Zwei Monate später hatte die Suderwicherin die ehrenamtliche Vormundschaft für die damals achtjährige Merle übernommen.

Merle heißt eigentlich anders und ist heute 16 Jahre. Um sie zu schützen, nennen wir nicht ihren richtigen Namen. „Dieses Vertrauen von Merle von Anfang an hat mich sehr berührt“, sagt Dagmar Kaufhold-Jäger. Nach einem Jahr des gegenseitigen Kennenlernens folgte die erste Einladung nach Hause. „Sie verstand sich auf Anhieb mit unserem zwei Jahre älteren Sohn. Merle verteidigte mich sogar, wenn mein Sohn mich anschnauzte.“

"Schilderung einer Ärztin hat mich erschüttert"

Gleich zu Anfang musste Merle immer wieder ins Krankenhaus. „Ich habe sie besucht und sprach auch mit den Ärzten. Die Schilderung einer Ärztin, dass ihre aktuellen gesundheitlichen Probleme durch das Schütteltrauma als Baby ausgelöst wurden, deren Folgen man im Gehirn noch erkennen kann, hat mich erschüttert.“

Wenn Kinder ohne Eltern aufwachsen, Eltern das Sorgerecht entzogen wird oder wenn Minderjährige aus anderen Ländern nach Deutschland kommen, benötigen sie eine gesetzliche Vertretung. Sie wird Vormundschaft genannt. Neben anderen Formen ist die ehrenamtliche Vormundschaft, wie Dagmar Kaufhold-Jäger sie für Merle übernommen hat, oft die beste Variante. „Als ehrenamtliche Vormundin oder ehrenamtlicher Vormund kann man eine ganz andere Bindung zu seinem Mündel aufbauen und zu einer vertrauensvollen, konstanten Ansprechperson werden. Niemand muss dabei aber sein Mündel in sein Privatleben einführen“, weiß Sarah Paulus vom Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) Recklinghausen e.V.

Was sind die Aufgabe in einer Vormundschaft?

Aber was macht man nun als Vormund? „Ich erledige in der Regel Formalitäten“, fasst Dagmar Kaufhold-Jäger zusammen. Kindergeld beantragen, mit den Lehrern sprechen und mit den Erzieherinnen in der Wohngruppe, Gelder für Klassenfahrten beim LWL mit forcieren, Arztgespräche, Entscheidung treffen über Impfungen. „Wir sehen uns alle vier, fünf Wochen.“ Offen würde Merle erzählen, was sie belastet. „Manches muss ich natürlich auch nachfragen, worüber sie nicht so gern spricht.“ „Frauenthemen“ gehören dazu, seit sie ihre Menstruation hat. „Ansonsten telefonieren wir jede Woche miteinander. Wir feiern Weihnachten bei uns nach.“ Die Wohngruppe lege Wert darauf, dass Kinder ohne Elternkontakt mit den anderen Kindern in der Gruppe feiern.

In der Familie und im Freundeskreis hängt die 58-jährige Suderwicherin ihr Ehrenamt nicht an die große Glocke. „Diejenigen, die es wissen oder Merle auch schon mal kennengelernt haben, wenn sie bei uns am Wochenende übernachtet hat, waren von ihr sehr angetan.“ Ihr Sohn habe anfangs Sorgen, dass er seine Mutter mit Merle teilen müsse. „Aber da konnte ich ihn beruhigen und versichern, dass ich seine Mama bin und bleibe. Inzwischen gehen beide locker miteinander um. Ohne die Unterstützung meines Mannes hätte ich das Amt nicht übernommen. Mein Mann unterstützt mich super.“

SKF berät, schult und begleitet Ehrenamtliche

Beim SkF erhält sie weitere Hilfe. „Ich bin sehr froh, dort bei Problemen Rat zu bekommen. Ich finde immer ein offenes Ohr und erhalte gute Tipps zur Lösung.“
„Eine gute Beratung der Ehrenamtlichen ist uns sehr wichtig“, sagt SkF-Sozialarbeiterin Sarah Paulus. Ihr sei es ein großes Anliegen, jederzeit mit Rat und Tat zur Seite zu stehen. „Und wir sind immer auf der Suche nach engagierten Menschen, die gerne die Vormundschaft für einen Minderjährigen übernehmen möchten.“ Für Interessierte bietet der SkF am Mittwoch, 13. Dezember, eine unverbindliche Informationsveranstaltung an. „Wir wollen das Amt des ehrenamtlichen Vormunds näherbringen. Und danach bieten wir Beratungen und Schulungen an, um bestmöglich auf die Aufgabe vorzubereiten und nach der Übernahme der Vormundschaft zu begleiten.“

Info

  • Infoveranstaltung zur Übernahme einer ehrenamtlichen Vormundschaft, Mittwoch, 13. Dezember, 18 Uhr, in der Geschäftsstelle des SkF Recklinghausen, Kemnastraße 7.
  • Um Anmeldung bis zum 12.12. wird gebeten bei Sarah Paulus, Tel. 02361/ 4859828, E-Mail sarah.paulus@skf-recklinghausen.de

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